Rede zur Übergabe der Brücke über die Erzgebirgsbahn in Aue-Bad Schlema am 30. Oktober 2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Übergabe von Radverkehrsanlagen im Erzgebirgskreis ist immer noch eine gewisse Seltenheit. Umso mehr freue ich mich, Sie heute hier an der Brücke zur Überquerung der Erzgebirgsbahn in Aue-Bad Schlema begrüßen zu dürfen, um eines dieser seltenen Ereignisse begehen zu dürfen. Nach vielen Jahren Vorbereitungszeit ist es gelungen, noch vor Jahresfrist 2020 dieses wichtige Bindeglied des „Mulderadweges“ zwischen Aue und der Kreisgrenze fertigzustellen. Gestatten Sie mir, aus Anlass dieser Objektübergabe ein kleines Resümee zur Arbeit des Zweckverbandes „Muldentalradweg“ ziehen zu dürfen.
Die Überquerung der Bahnstrecke der Erzgebirgsbahn zwischen Aue und Bad Schlema ist eines der Schlüsselprojekte für den „Mulderadweg“, um diesen durchgängig und verkehrssicher für Radfahrer gestalten zu können. Wir haben dieses Teilprojekt im Rahmen des Großprojektes „Karlsroute II“ in die Förderung der Europäischen Union mit dem Programm „INTERREG V A“ hineinbringen können. Darüber haben wir uns anfangs sehr gefreut, doch bereits kurz nach der Bewilligung bzw. der Unterzeichnung des Fördervertrages mit der SAB begann ein sehr komplizierter und auch schwerer Weg.
Nach einem ersten Gespräch bei der Erzgebirgsbahn in 2015 Aue waren wir uns eigentlich einig, die hier an diesem Standort vorhandene Umlaufsperre ordentlich zu ertüchtigen und dies mit einem relativ niedrigen Kostenrahmen auszuführen. So war das Projekt eigentlich auch in die SAB-Förderung aufgenommen worden.
Schnell stellte sich aber heraus, dass wir mit einer einfachen Querung der Bahnstrecke keine Genehmigung erhalten würden, es sei denn wir bauen eine Schrankenanlage. Dies hätte neben hohen Kosten in der Investition auch erhebliche permanente Folgekosten mit sich gebracht. Das Argument der Erzgebirgsbahn war damals, dass durch das Anlegen des Radweges ja ein erhebliches Mehr an Radfahrern hier die Bahnstrecke queren würde und damit natürlich das Unfallrisiko steigt.
Diesem Argument mussten wir uns letztendlich beugen und haben eine quasi berührungsfreie Variante der Bahnquerung beauftragt. Unsere Idee bestand darin, eine Unterführung der Bahnstrecke zu bauen, um ein aufwendiges Brückenbauwerk zu vermeiden. Diese Planung wurde auch zu einer gewissen Reife geführt. Am 28. Juni 2017 haben wir dieses Projekt beim LEADER-Management der LEADER-Region „Zukunft Westerzgebirge“ zur Förderung eingereicht, da die über die SAB zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von 737.000 EUR für die Ertüchtigung der Umlaufsperre als auch für den Radwegebau zwischen „Aue (An der Mulde) und Bad Schlema (Eisenbrücke)“ dienen sollten und somit nicht ausreichen würden. Die Kosten, die seinerzeit für das LEADER-Projekt veranschlagt wurden, betrugen 415.150 EUR.
Im Zuge der Genehmigungsplanung stellte sich jedoch heraus, dass sowohl seitens der Bahn als auch der Genehmigungsbehörden beim Landratsamt erhebliche Probleme gesehen wurden. So mussten wir z. B. hinnehmen, dass die ursprünglich vereinbarte Überdeckung für den Gleiskörper zu knapp bemessen war. Eine tiefere Verlegung der Unterquerung hätte jedoch die Hochwasserlinie unterschritten, was wasserrechtlich nicht genehmigungsfähig war. Somit mussten wir erneut die Planung ad acta legen und letztendlich dann doch die teuerste aller Varianten in Angriff nehmen, nämlich einen Brückenneubau. Dieser war finanziell lange Zeit nicht abgesichert, da die erste Kostenschätzung für den Brückenneubau bei rund 622.000 EUR gelegen hat. Nach allen Ausschreibungen sind die Gesamtkosten weiter angestiegen. Insgesamt kostete das Bauwerk nunmehr 911.000 EUR.
Dass wir trotzdem eine 85-prozentige Förderung in Höhe von 774.350 EUR erhalten, verdanken wir einzig und allein der Tatsache, dass beim Projektpartner Stützengrün im Rahmen der „Karlsroute II“ das geplante Brückenbauwerk an der Talsperre Eibenstock weggefallen ist. Somit konnte das dort frei gewordene Fördergeld auf dieses Projekt hier in Aue-Bad Schlema übertragen werden.
Nun stehen wir hier an diesem tollen Brückenbauwerk, das sich auch optisch sehr gut in die Landschaft einfügt und können es der immer größer werdenden Radfahrerschar zur Nutzung übergeben. Damit ist nunmehr ein durchgängiger Abschnitt von der Erdmann-Kircheis-Straße bis zum Tunnelportal Ost zur Nutzung freigegeben. Dies ist ein Meilenstein der Entwicklung des „Mulderadweges“ auf dem Territorium der Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema.
Heute, nach allen erledigten Arbeiten, können wir froh sein, dass wir nur e i n Bauwerk zur Bahnquerung zu bauen haben. Es war für mich als jahrelanger Verantwortlicher im Verband und auch als Verantwortlicher in einer Gemeinde eine völlig neue Erfahrung, ein Bauwerk zur Querung einer Einrichtung der Deutschen Bahn AG errichten zu müssen. Vielleicht ist es sogar ein Kompliment, wenn ich Ihnen, liebe Vertreter der Erzgebirgsbahn, sagen kann, dass ich kaum ein Bauwerk kenne, das im Vorfeld und auch während der Baudurchführung so intensiv geprüft und auch mitgestaltet wurde. Aus diesen Erfahrungen heraus kann ich Ihnen allen sagen, bei der Deutschen Bahn wird nichts dem Zufall oder auch dem Selbstlauf überlassen.
Aber nun ist es geschafft und wir können den Blick weiter nach vorn richten auf unsere weiterführenden Projekte. Neben der Vorbereitung der Sanierung der alten Steinbrücke in Bad Schlema arbeiten wir zurzeit noch sehr intensiv an dem Radwegeabschnitt von der alten Steinbrücke bis zur Wismutstraße. Wenn diese im nächsten Jahr fertiggestellt werden, haben wir ein großes Stück der Arbeit auf diesem als Bauabschnitt 3 bezeichneten Radwegeabschnitt vom Stadtzentrum Aue bis zur Kreisgrenze geschafft. Wir werden intensiv dranbleiben und auch weiterhin alle Fördermöglichkeiten ausschöpfen, um diesem Ziel so schnell wie möglich näherzukommen.
Dennoch möchte ich, was die Radwegeentwicklung in unserem Verbandsgebiet insgesamt anbetrifft, auch ein wenig Kritisches in das heutige freudige Ereignis einstreuen. Es ist wohl niemanden in unserer Republik entgangen, dass das Radfahren in den vergangenen 5 Jahren dank der Entwicklung der E-Bikes einen großen Boom erlebt, wie es ihn vorher in einem Mittelgebirge noch nicht gegeben hat. Noch vor 10 Jahren waren es vorrangig die Mountainbiker, die mit dem Rad im Gebirge unterwegs waren. Heute erlauben die E-Bikes das Radfahren für jedermann durch jedes Gelände. Dementsprechend groß ist auch die Anzahl der Radfahrer in unserer Region und auch der Bedarf an der Entwicklung von Radwegen.
Der Zweckverband „Muldentalradweg“ wurde 2006 gegründet. Zuvor haben wir seit 2002, damals auch mit der Deutschen Bahn AG, begonnen, die ersten Grundstücksfragen auf dem Abschnitt Aue/Wolfsgrün zu klären. Seitdem entwickeln wir den „Mulderadweg“, der ja bekanntlich als einer der sechs Kategorie 1 - Radwege in der Radverkehrskonzeption des Freistaates Sachsen eingestuft ist. Heute haben wir nach fast 15 Jahren Verbandsarbeit es immer noch nicht geschafft, den Radweg auf unserem Verbandsgebiet durchgängig zu errichten.
Deshalb schaue ich immer auch neidisch auf die anderen Länder Europas, vor allem die touristischen Destinationen Europas, wo man beim Radwegebau Vollgas gibt. Wenn Sie Lust und Laune haben, dann googeln Sie einmal den Begriff „Garda by Bike“. Dies ist ein gemeinsames Projekt der Provinzen Brescia, Mantova, Trentino und Verona. Dort errichtet man einen 140 km langen Radweg rund um den Gardasee in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Spektakuläre Bauwerke, wie Felspassagen über das Wasser, werden errichtet, um für Gäste und natürlich auch Einheimische ein attraktives touristisches Produkt anzubieten. Mit dem Bau des Projektes wurde 2016 also weit nach der Gründung des Zweckverbandes „Muldentalradweg“ begonnen. 2021 möchte man damit fertig sein. Die Kosten des „ spektakulärsten Radweges Europas“, wie der Bürgermeister der Ortschaft Limone sul Garda den Radweg zu Baubeginn beschreibt, sind mit 102 Millionen Euro veranschlagt, die über ansteigende Einnahmen aus dem Tourismus zurück in die Kassen fließen sollen.
Blickt man auf die Ergebnisse unserer Verbandsarbeit zurück, dann muss man enttäuscht feststellen, dass wir eigentlich in der gleichen Zeit nicht sehr viel erreicht haben. Was sind die Gründe für diese großen Unterschiede:
1. Wir Kommunen werden bei einem solchen Mammut-Projekt allein gelassen. Es kann nicht sein, dass wir mit unseren kleinen Haushalten große Summen im Jahr als Investitionsumlagen einstellen müssen, um einzelne kleine Radwegeabschnitte zu bauen. Eigentlich sind wir finanziell damit überfordert.
2. Die Genehmigungspraxis für die Radwege, insbesondere für solche bedeutsamen Radwege, ist einfach nur unerträglich. Beim Bauabschnitt 2 zwischen Eibenstock und Schönheide kämpfen wir seit Jahren an den Problemen der Ausgleichsmaßnahmen und der Waldumwandlung. Behörden haben nicht die Motivation, uns bei diesen Projekten zu unterstützen, sondern verstecken sich hinter Gesetzen und Schutzgebietsregelungen.
3. Ein Flickenteppich aus Förderungen stellt unseren Verband, der ja personell nur durch eine Person verwaltet wird, vor große bürokratische Hindernisse. Für jedes einzelne Teilobjekt müssen wir versuchen, einzelne Finanzierungen zusammenzubasteln. Wir zapfen Förderprogramme an, wie z. B. KStB, INTERREG V A, LEADER, Beschilderungsförderung des Freistaates und noch weitere.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so werden wir es nicht schaffen, ein konkurrenzfähiges Radwegeprodukt zu bekommen. Ich könnte noch weiter klagen und noch viel mehr Details hier vorbringen. Das möchte ich Ihnen ersparen. Aber eins steht fest. Wenn wir nicht einen Paradigmenwechsel beim Radwegebau im Freistaat Sachsen, insbesondere in Kommunen mit erhöhtem Wald- und Schutzgebietsaufkommen, vollziehen, werden wir weiterhin radinfrastrukturelles Entwicklungsland bleiben.
Ich möchte mich zum Abschluss meiner Ausführungen sehr herzlich beim Planungsbüro AIA in Aue für die konstruktive Lösung dieses Projektes und für die Bauleitung bedanken. Auch bei allen Baufirmen, wie der Firma Rüdiger Bau, der Firma Stahlbau Krauß (Gebrüder Eitz) und dem VH Planungsbüro GmbH (Hr. Goers) möchte ich mich für die zügige und unfallfreie Baudurchführung bedanken. Ihr habt uns ein gutes Produkt hergestellt. Es hat Flair und ist in gewisser Weise auch spektakulär.
Auch bedanke ich mich bei der Erzgebirgsbahn, insbesondere Herrn Schmidt für die gerade bei der Baudurchführung sehr konstruktive und auch gegenseitige befruchtende Arbeit. Ich denke, wir haben uns im Laufe dieses Projektes ganz gut zusammengerauft. Ein großes Dankeschön möchte ich auch der WISMUT-Gesellschaft, Herr Dr. Wallner und Frau Gnewuch, aussprechen, ohne die Genehmigung der Haldenüberfahrt hätten wir das Projekt nicht realisieren können.
Einen besonderen Dank möchte ich auch an Frau Langolf von der Verwaltung des Zweckverbandes richten, die mit ihrer gesamten Tätigkeit bei der Fördermittelabrechnung, bei der Koordinierung der einzelnen Besprechungen immer eine sehr gründliche und auch zielorientierte Arbeit an den Tag gelegt hat.
Gleichzeitig möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich bei der einen oder anderen Beratung zwischendurch auch einmal die Fassung verloren bzw. auf den Tisch gehauen zu haben. Aber ich denke, auch das gehört mit dazu.
Nun hoffe ich auf eine doch rege Nutzung dieses Radwegeabschnittes. Er verbindet nun den Ortsteil Aue mit dem Ortsteil Bad Schlema und ich bin mir sicher, dass dieser Radweg auch gut genutzt wird. Er ist gleichzeitig auch streckenweise als Fußweg ausgewiesen, damit auch der „Jakobsweg“ durch das Gemeindegebiet Aue-Bad Schlema seinen Bestand erhalten kann.
In diesem Sinne wollen wir nun dieses Bauwerk gemeinsam übergeben.
Uwe Staab
Bürgermeister