29. September 2023 Rede zur Übergabe der Urkunde „Staatlich anerkannter Erholungsort“ in Eibenstock

29. September 2023 Rede zur Übergabe der Urkunde „Staatlich anerkannter Erholungsort“ in Eibenstock

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Klepsch,
Sehr geehrter Herr Landrat Rico Anton,
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
Sehr geehrte Gäste,

wie schnell doch die Zeit vergeht. Man möchte meinen, es ist noch gar nicht so lange her, als damals die Staatssekretärin Frau Meier an gleicher Stelle der Stadt Eibenstock zum ersten Mal die Urkunde als „Staatlich anerkannter Erholungsort“ überreicht hat. 2011 erhielten wir damals für die Ortsteile Carlsfeld, Wildenthal und Eibenstock diese Prädikatisierung, nachdem eine monatelange Antragsphase vorausgegangen war. Heute sind wir wiederum hier versammelt, um nach mehr als 10 Jahren die gesetzlich erforderliche Bestandsprädikatisierung abzuschließen. Besonders begrüße ich hier im Ratssaal des Rathauses Eibenstock: 

Ich heiße Sie alle herzlich willkommen und freue mich, dass Sie den Weg hier nach Eibenstock gefunden haben bzw. an dieser Veranstaltung teilnehmen. 

Es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb wir heute hier versammelt sind. Aus gegebenem Anlass wird heute auch ein Förderbescheid für ein weiteres touristisches Infrastrukturprojekt im Ortsteil Eibenstock an die „Wurzelrudis Erlebniswelt“ übergeben. 

Dass wir heute erneut den Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“ erhalten, ist in zweierlei Hinsicht ein wichtiger Meilenstein in unserer Gesamtentwicklung in unserer Großgemeinde. Neben der Bestandsprädikatisierung für Eibenstock, Wildenthal und Carlsfeld wird heute auch der Ortsteil Sosa dieses Prädikat wieder erhalten. Sosa hatte ja bereits zu DDR-Zeiten diesen Titel inne, konnte ihn aber nach 1990 nicht bestätigen. Nach dem ausgelaufenen Bestandsschutz musste deshalb für den Ort eine Neubeantragung durchgeführt werden. Auch das konnte erfolgreich gemeistert werden. 

Wie wir nachher an einer kleinen Präsentation noch sehen werden, ist die Entwicklung des Wirtschaftszweigs Tourismus für unseren Ort im Ganzen eine wichtige Grundlage der Gesamtentwicklung nach 1990 gewesen. Wer Tourismus entwickeln will, braucht einen langen Atem und eine klare Strategie. Wir in Eibenstock hatten von Anbeginn dieses Ziel vor Augen und haben mit unzähligen kleinen und großen Projekten darauf hingearbeitet, um den heutigen Stand zu erreichen. Das Schwere daran war, dass der Tourismus keine halben Sachen verträgt. Nur durch hervorragende Qualität in Service und bei der Infrastruktur kann es gelingen, Gäste davon zu überzeugen, ihre schönsten Tage im Jahr in unserem Ort zu verbringen. Wir brauchen nur in uns selbst hineinzuhorchen, was man als Gast von einer Urlaubsregion erwartet. 

Wir hatten auch das große Glück, dass wir über Jahrzehnte hinweg stets einen Stadtrat hatten, der konstruktiv alle Projekte begleitet hat. Sicher gab es kritische Auseinandersetzungen mit dem einen oder anderen Projekt. Auch ist manches nicht so gelaufen, wie wir es uns gerne gewünscht haben. Aber eines war immer der Fall. Am Ende waren wir uns einig und haben das Entschiedene auch durchgezogen. Es gab kein Nachtreten und keine Besserwisserei danach, wenn es mal nicht so lief. 

Was wir entschieden haben, dazu haben wir gestanden. Ich persönlich halte dies für das Wichtigste in einer Stadt oder Gemeinde überhaupt, wenn es vorangehen soll. Einigkeit im Ziel, kritisch in der Sache und niemals persönlich gegeneinander, dann entwickelt sich auch etwas in einem Ort. Und deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei unserem Stadtrat bedanken. 

Ein weiterer wichtiger Faktor in der Entwicklung des Tourismus in unserem Ort sind auch die Unternehmer, die ja letztendlich das Gerüst der wirtschaftlichen Wertschöpfung darstellen. Ohne ideenreiche, engagierte und auch kooperative Akteure kann eine Tourismusregion ebenfalls nicht entwickelt werden. Auch hier hatten wir das Glück, viele solche Unternehmer zu haben, die das Geld und das Geschäft in die Hand genommen haben und manchmal auch durch viele Täler hindurch mussten, bevor der jetzige Erfolg gelingen konnte. In der Interaktion zwischen Stadt und Unternehmer konnte ein breites Angebot an Freizeitmöglichkeiten und an Hotellerie und Gastronomie entwickelt werden. Und, das darf man auch nicht vergessen, es brauchte Unternehmer, die in unserem Ort Steuern zahlen. Denn ohne Steuereinnahmen gibt es keine kommunalen Spielräume, aus denen die Eigenmittel für Infrastrukturprojekte generiert werden konnten. Wir haben stets die Gewerbesteuer, die in unserem Ort gezahlt wurde, in Wirtschaftsförderprojekte investiert und nicht für Verwaltung konsumiert. Und im Rückblick kann ich sagen, es ist gut angelegtes Geld gewesen. 

Der Weg bis zum heutigen Tag erwies sich schwieriger, als der Weg bis zur erstmaligen Erlangung dieses Titels. - Warum?

Hinter uns liegen gerade für die Tourismuswirtschaft wohl die schwierigsten Jahre und die zum ersten Mal eingetretene Erfahrung, dass die Kurve nicht immer mit einem Anstieg verläuft. Auch wenn wir weiter an der Realisierung der Infrastrukturentwicklung und der Stadtentwicklung gearbeitet haben, war es deutlich schwieriger, die touristischen Ziele umzusetzen. Dafür gab es verschiedene Ursachen. 

Natürlich muss man allen voran die Corona-Zeit von 2020 bis 2022 benennen, die ja gerade die Tourismuswirtschaft im Mark erschüttert hat. Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es keine Branche in dieser Zeit härter getroffen hat, als die Tourismuswirtschaft. Dies trifft gleichermaßen sowohl auf die Leistungserbringer als auch auf die Gastronomie und Hotellerie zu.

Ein weiteres großes Problem, und da ist Corona auch noch indirekt mit beteiligt, ist die nur noch geringe Verfügbarkeit von Arbeitskräften für die Tourismuswirtschaft. Der Aufschwung der Wirtschaft in Sachsen und auch in unserer Region war von uns allen gewollt. So soll es auch bleiben. Aber eine Konsequenz aus dieser Entwicklung ist eben auch, dass viele Arbeitskräfte aus der Tourismuswirtschaft in die anderen Wirtschaftszweige abwandern. Eine geregeltere Arbeitszeit, ein vielleicht besseres Einkommen und auch weniger Stress sind gute Argumente für einen Stellenwechsel. Der ohnehin geringere Nachwuchs ist mittlerweile in allen Branchen heiß begehrt. Das sieht man allein daran, wie viele Lehrstellen überall noch offen sind. 

Allerorts stellt auch das Thema „Nachfolgeregelung“ für touristische Unternehmen ein großes Problem dar. Nicht nur hier in unserem Ort gab es Geschäftsaufgaben aus Altersgründen, bei denen es eben keine Nachfolge gegeben hat. Einige Einrichtungen wurden verkauft und werden jetzt quasi als Privatdomizile verwendet. Nur in Einzelfällen konnte es gelingen, Nachfolger zu finden, die zumindest einen Teilbetrieb wieder eröffnet haben. Ein positives Beispiel hierfür ist die „Hammerschänke“ in Wildenthal. 

Ein weiteres großes Problem, dem wir uns vor allem hier im Erzgebirge gegenübersehen, ist die Langwierigkeit und Komplexität der Genehmigungsverfahren. Wie schwer gerade die Infrastrukturentwicklung in den letzten Jahren geworden ist, sieht man am Beispiel des Radwegebaus. In den 90er-Jahren haben wir mit der Unterstützung von Landratsamt und dem damaligen Regierungspräsidium Infrastruktur in Größenordnungen entwickelt und genehmigt bekommen. Heute sehen sich Kommunen und private Investoren einem dichten Regelungsnetzwerk gegenüber, das sie kaum noch bewältigen können. Gerade in der Region Erzgebirge, wo sich Schutzgebiet an Schutzgebiet reiht, ist es jedes Mal ein Marathonlauf, bis man eine Genehmigung für ein Projekt bekommt. Und jeder weiß, ohne Genehmigung braucht man heutzutage keinen Förderantrag mehr zu stellen. Auch dies unterscheidet die heutige Zeit von den 90igern.

Ein letztes großes Problem, das die Mühen der Ebene umschreibt, ist der überbordende Bürokratismus, gerade für die Akteure der Tourismuswirtschaft. Was ein Betreiber eines Gastronomieunternehmens heute alles an Auflagen zu erfüllen und an Bürokratie zu bewältigen hat, steht in keinem Vergleich zu dem, was noch vor 20 Jahren in der Branche üblich war. Ständig werden die Bestimmungen verschärft. Brandschutzregeln, Hygieneauflagen und vieles dergleichen mehr binden nicht nur Zeit sondern kosten auch noch viel Geld. Die Unternehmer sehen sich heute einem komplexen Regelwerk von Rechts- und Finanzangelegenheiten gegenüber, dass man eigentlich ohne juristische Vorbildung gar nicht mehr bewältigen kann. Der viel gerühmte Bürokratieabbau findet nicht statt. Ein Unternehmer, der heute einen Gastronomiebetrieb gründen möchte, hat schon zu Beginn seines Unternehmens mehr mit der Bürokratie zu tun als mit seiner Geschäftsidee. 

Eine letzte Sorge will ich nicht unerwähnt lassen. Auch wir haben ja im Ort mit dem sogenannten „Königreich Deutschland“ jemand, der eine touristische Einrichtung vom Netz genommen hat, um hier seinen Phantasiestaat aufzubauen. Inwieweit dies auf die touristische Entwicklung Einfluss nimmt, muss sich zeigen. Wir können nur hoffen, dass die Menschen in unserem Ort und in unserer Region resilient gegen Menschen sind, die diesen Staat ablehnen, dem wir doch rückblickend auf unsere Entwicklung so viel zu verdanken haben.

Trotzdem darf dies alles kein Grund sein, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Wir haben hier in unserem Ort in vielen Bereichen eine engagierte Unternehmerschaft, die bereit ist, an einem Standort weit weg von Autobahn und anderer Verkehrsinfrastruktur ein Refugium für ein gutes Leben auf dem Land zu schaffen. Unsere zufriedenen Gäste bestätigen ja oft, dass wir ja dort leben, wo andere Urlaub machen wollen.

Neben dem Dank an die Unternehmerschaft möchte ich auch ein großes Dankeschön an den Freistaat Sachsen richten, der in den vergangenen 30 Jahren in unzähligen Förderprojekten mit den verschiedensten Programmen unsere Entwicklung befördert hat. Ohne die hohen Fördersätze und die vielen Millionen aus Dresden für Eibenstock wären wir nicht dort, wo wir heute sind. Ganz gleich, ob es sich um Stadtsanierungsmittel, um Unternehmensförderung oder auch um Infrastrukturförderung handelte, alles diente dem Ziel, diesen Ort und diese Region zu entwickeln. Und diesbezüglich sollte man auch einmal innehalten und dankbar zurückblicken. 

Hoffen wir, dass Programme, wie z. B. die „GRW-Infra“ nicht weiter gekürzt werden und in Zeiten steigender Baupreise natürlich immer weniger Objekte im Freistaat Sachsen ermöglichen. Wir müssen deshalb darum kämpfen, auch weiterhin solche Programme zu behalten. Auch die GAK soll ja durch Bundesfinanzminister Lindner gekürzt werden bzw. gestrichen werden. Wir haben hier bereits unsere Protestnote an das Bundesfinanzministerium gesandt. 

Mit der Verleihung des Titels „Staatlich anerkannter Erholungsort“ ist die Tourismusentwicklung in Eibenstock noch nicht zu Ende. Zukunftsprojekte, wie die Entwicklung von „Wurzelrudis Erlebniswelt“ oder auch das „Aktivzentrum Carlsfeld“ mit dem Feriendorf auf dem alten Glaswerk, sollen dafür sorgen, dass unsere Angebotspalette um die noch fehlenden Details ergänzt werden. 

Man darf nicht vergessen, dass der Tourismus in den Mittelgebirgsregionen einerseits innerhalb Deutschlands von großer Konkurrenz geprägt ist. Andererseits konkurrieren deutsche Mittelgebirgsregionen mit den Bergregionen in den Alpen und in Osteuropa. Beide sind uns um viele Jahre noch voraus und investieren ebenfalls in Größenordnungen, um ihren Tourismus weg vom Winter auf Ganzjahrestourismus zu trimmen. Dies ist der aktuelle Trend in Europa und fordert natürlich auch die erzgebirgischen Städte und Gemeinden heraus. 

Es mutet deshalb sogar noch etwas kleinlich an, was wir punktuell noch an Erweiterungsinvestitionen schaffen. Wenn ich im Urlaub in Südtirol bin und mir einzelne Standorte anschaue, wird es mir angesichts der dortigen Dynamik trotzdem immer noch ein wenig bange. Deshalb sollten wir selbstbewusst unsere eigenen Stärken entwickeln. Ich glaube, dass in den nächsten Jahren das Preis-Leistungs-Verhältnis ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung der Gäste für ihren Urlaubsort sein wird. Die endlose Preisspirale, die in einigen Regionen immer weiter angefacht wird, kann auch nicht die Lösung aller Probleme sein. Wir als Region müssen uns mit Qualität und Vielfalt beweisen. Der Gast wird authentische Standorte, die nachhaltig Tourismus betreiben, suchen. Hier liegt auch eine große Chance für unsere Region Erzgebirge. 

So bedanke ich mich zuletzt dann auch beim Landesbeirat für seine Entscheidung, uns diesen Titel „Staatlich anerkannter Erholungsort“ erneut zu verleihen und freue mich, dass Sie, Frau Staatsministerin Klepsch, es sich nicht nehmen ließen, hierher nach Eibenstock zu kommen, um die Urkunde persönlich zu überreichen.

Wünschen wir uns gemeinsam für die Zukunft auch weiterhin stabile Finanzen und einen guten Zusammenhalt hier in der Region im Erzgebirge. In diesem Sinne schließe ich

Mit herzlichem „Glück auf!“
Uwe Staab (Bürgermeister)