Begrüßungsrede zur Übergabe der Clara Angermann Stele am 22. September 2022
Begrüßungsrede zur Übergabe der Clara Angermann Stele am 22. September 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Geschichte eines Ortes werden Entwicklungen oftmals von besonderen Ereignissen oder auch von besonderen Personen geprägt. Zur jeweiligen Zeit an historischen Wendepunkten war man sich dessen oftmals gar nicht bewusst bzw. war dies überhaupt nicht absehbar. Im Nachhinein, Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte später, aber, wenn die Geschichte aufgeschrieben wird, Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte später, erkennt man dann, was das Besondere an der Person oder auch an dem Ereignis war. Ich möchte Sie deshalb heute hier am „Schatzhaus Erzgebirge“ sehr herzlich begrüßen, weil wir eine Stele übergeben, die einer solchen Person gewidmet ist, die die Geschichte unseres Ortes wesentlich beeinflusste – Clara Angermann. Besonders begrüßen möchte ich:
Die Initiative zur Errichtung dieser Stele ging vom Landesfrauenrat Sachsen e. V. aus, der Träger des Projektes „Frauenorte Sachsen“ ist. Dieser Verein hat es sich nunmehr schon im 6. Jahr zur Aufgabe gemacht, im Besonderen Frauenpersönlichkeiten zu würdigen, die besondere Leistungen erbrachten, die außerordentliches Engagement zeigten und Sachsen auf allen gesellschaftlichen Ebenen prägten. Clara Angermann war eine solche Frau, die eigentlich keine Eibenstockerin ist, den Eibenstockern aber ein Handwerk lehrte, von dem sie sich später wieder ernähren konnten.
Es begann im Jahr 1775, als die polnische Försterstochter von Bialystok nach Eibenstock kam. Sie sah die Not der Menschen, die nach dem Niedergang des Bergbaus nicht mehr wussten, wie sie hier im Erzgebirge weiterleben sollten. Überall war Hunger, Not und Elend. Sie lehrte den Menschen das Tambourieren und organisierte den Verkauf der hergestellten Waren. Sehr schnell verbreitete sich das Handwerk des Stickens und entwickelte sich in den vielfältigsten Facetten. So wurde aus einer Notlösung ein Geschäftsmodell, das die Stadt Eibenstock bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges zu einer großen Blüte verhalf. Die vielen Gründerzeitgebäude, Stadtkirche, Rathaus und viele andere öffentliche Gebäude zeugen heute noch von dem einstigen Glanz, der sich aus der Stickereiindustrieepoche unserer Stadt entwickelt hat. Erst heute wird uns bewusst, welche große Tat hinter diesem Engagement der Clara Angermann steckt.
Aus diesem Grunde sind wir als Stadt sehr dankbar, dass der Verein Landesfrauenrat Sachsen e. V. auch dieser Frau eine Stele widmet, wie sie zuvor bereits vielen anderen Frauen in Sachsen schon gewidmet wurden. Für uns Anwesende gibt es heute eine interessante Parallele zu der damaligen Entwicklung. Auch wir wissen heute nicht mehr, wohin der Weg mit unserem Land führt. Es reicht ein Krieg in der Ukraine, dass alles, was bisher Bestand hatte, nicht mehr funktioniert. Eine hohe Inflation, eine Energiepreisentwicklung, die mittlerweile auch in die Mittelschicht hineinwirkt, und ein Verfall von Werten, wie wir sie bisher noch nicht erlebt haben, prägen die gegenwärtige Entwicklung. Es ist nicht auszuschließen, dass auch unser Land wieder große Not leiden wird, wie schon oft in seiner Geschichte. Wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht? So wundert es nicht, dass überall, wo man Gespräche zur aktuellen Situation führt, die Klage überwiegt. Es muss aber nach Lösungen gesucht werden. Vielleicht gibt es die ja.
Und so braucht es auch heute die guten Ideen und die Menschen, die sie umsetzen. Eines hat uns die Geschichte auch gelehrt, dass von außen kaum Hilfe zu erwarten ist. Wir Menschen müssen mit dem nötigen Gottvertrauen selbst die Initiativen ergreifen, die notwendig sind, um diese Situation heute zu überwinden. Der Unterschied zu damals ist die aktuell große Verflechtung und Abhängigkeit unserer Wirtschaft auf der Welt. Ein Volk, das sich erpressbar macht, wird irgendwann erpresst. Und das erleben wir gerade sehr aktuell. Wir müssen erkennen, dass man nachhaltige Entwicklung nur dann gestalten kann, wenn man mit den vorhandenen Ressourcen klug umgeht und die wirtschaftliche Entwicklung im Wesentlichen darauf aufbaut. Dies ist in der Zeit von Clara Angermann gelungen. Ob es in der heutigen Zeit uns gelingt, wird möglicherweise die Geschichte in den nächsten Jahren zeigen.
Eibenstock hat schon immer schwere Zeiten erlebt. Die heute zu eröffnende Stele erinnert daran. Ich möchte dem auch einen kleinen Beitrag beisteuern und ebenfalls etwas an das „Schatzhaus“ übergeben, was an extrem schwere Zeiten erinnern soll. Wir erleben heute wieder eine Inflation, deren Ende noch nicht absehbar ist. Vor fast 100 Jahren grassierte hier in Deutschland die Hyperinflation, die 1923 ihren Höhepunkt erlangte. Auch in der Stadt Eibenstock wurde, wie in vielen Städten, Notgeld gedruckt, weil man nicht mehr hinterherkam, Banknoten nach der Entwicklung der Inflation zu drucken. Ich habe die Banknoten der Eibenstocker Hyperinflationszeit gesammelt und möchte diese nun auch dem „Schatzhaus Erzgebirge“ übergeben. Etwas flapsig möchte ich hinzufügen, dass eine Summe von über 80 Milliarden Mark ganz gut in ein Schatzhaus passt. Und so möchte ich diese kleine Sammlung heute an die Leiterin des „Schatzhauses“ übergeben.
Ich bedanke mich bei den Akteuren des Landesfrauenrates Sachsen e. V. für die Initiative. Ich danke auch den Mitarbeitern des „Schatzhauses“ für die Mitarbeit. Die Stele wird nun ein wichtiger Bestandteil des historischen Stadtrundganges in Eibenstock sein.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und entbiete Ihnen
ein herzliches „Glück auf!“
Uwe Staab
Bürgermeister