Rede zur Eröffnung der Ausstellung im Schatzhaus und des Clara-Angermann-Jahres 2025 am 14. Februar 2025
Sehr geehrte Damen und Herren,
immer wenn ich Führungen im Rathaus mache oder wenn ich Vertreter unserer Partnergemeinde oder auch verschiedene Delegationen von Veranstaltungen, von Verbänden und dergleichen durch unseren Ort führe, erhalte ich immer wieder eine Frage gestellt: „Wir wussten gar nicht, dass es oben im Gebirge in einer solchen Grenzlage so einen bemerkenswerten Ort mit einer so tollen Bausubstanz gibt. Woher kommt diese eigentlich?“ Dann kann ich immer voller Stolz berichten, dass nach dem zu Ende gegangenen Bergbau und der darauffolgenden Zeit des Leidens und des Hungers in unserer Stadt mit einer ganz besonderen Frau ein Wirtschaftszweig gewachsen ist, der in den letzten 250 Jahren nachhaltig die städtische Entwicklung geprägt hat. Ob Stadtkirche, Rathaus oder die tollen Gründerzeitgebäude, sie alle würde es nicht geben, hätte nicht die Stickerei-Industrie gerade in der Zeit des 19. Jahrhunderts viel Geld in die Kassen der Stadt und ihrer Bürgerschaft gespült. Alles hatte seinen Ursprung im Engagement einer Person – Clara Angermann.
Zur heutigen Auftaktveranstaltung für das Clara-Angermann-Jahr 2025 möchte ich Sie im Namen der Stadt Eibenstock, im Namen aller Organisatoren und Unterstützer dieses Projektes, im Namen des Teams des Schatzhauses Eibenstock und natürlich auch ganz persönlich sehr herzlich hier im Schatzhaus Eibenstock begrüßen. Es ist meines Wissens nach das allererste Mal in der Geschichte unserer Stadt, dass ein ganzes Festjahr einer einzigen Persönlichkeit gewidmet wird. Dass Sie heute so zahlreich hier erschienen sind, zeugt von einem großen Interesse bei Ihnen und auch in unserem Ort für eine Persönlichkeit, die mit ihrem Wirken die Geschichte der Stadt verändert bzw. maßgeblich beeinflusst hat.
Mit dem heutigen Auftakt des Festjahres möchten wir eine kleine Ausstellung über die Persönlichkeit Clara-Angermann und zur Entwicklung der Stickereigeschichte in unserer Stadt eröffnen. Zu dieser Ausstellung werden wir nachher noch etwas mehr von unserer Museumsleiterin Antina Richter hören. Wir haben ganz bewusst die Vernissage zum Thema „Stickerei in Eibenstock“ ausgewählt, um das Festjahr zu eröffnen. Über das gesamte Jahr hinweg möchten wir damit einen kleinen Ankerpunkt für Bürger und Gäste unserer Stadt zu setzen, das Thema „Clara Angermann und die Stickerei“ den Menschen wieder nahezubringen. Die Älteren unter uns wissen sicher noch vieles mit diesem Namen zu verbinden. Beispielsweise gab es in Eibenstock vis-a-vis des „Spatzenhauses“ ein Gebäude, das den Namen „Clara-Angermann-Haus“ trug. Es wurde damals von einem VEB Stickerei-Unternehmen saniert, um schon damals ausländische Fachkräfte hier unterzubringen. In Eibenstock gibt es eine Clara-Angermann-Straße, die ebenfalls auf die Wohltäterin unserer Stadt hinweist. In mehreren Publikationen, zuletzt in der Schriftenreihe „Am Auersberg – Schriften zur Geschichte“ wurde Clara Angermann unter vielen bekannten Persönlichkeiten aus unserem Ort gewürdigt. Ihr Beispiel hat auch heute noch eine große Bedeutung. Außer einer scheinbar kleinen Idee oder Vision entstand Großes. Auch wenn die damalige rasante wirtschaftliche Entwicklung ihre Schattenseiten entwickelte, denn es zur damaligen Zeit eine für uns heute nicht mehr vorstellbare 2-Klassen-Gesellschaft, so ist dieser Teil der Geschichte etwas, wovon auch die zukünftigen Generationen zehren werden. Wir wollen nicht vergessen, dass nicht sehr Viele wirklich gut von der Stickerei-Industrie profitierten und viele hunderte, wenn nicht tausende Arbeiter für einen Hungerlohn die Arbeit verrichteten, um die Produkte in Deutschland bzw. auf dem Weltmarkt zu verkaufen.
Gerade aber die jüngeren Mitbürger oder auch Fremde wissen mit dem Namen Clara-Angermann nur sehr wenig anzufangen. Aber schon allein die Vorbereitung des Festjahres in den vergangenen 1,5 Jahren haben den Fokus auf diese Persönlichkeit gelegt und viele Menschen haben begonnen, sich mit ihr zu beschäftigen. Damit ist eigentlich schon vor Beginn des Festjahres ein wichtiges Anliegen erreicht worden.
In der jüngeren Stadtgeschichte spielen heute andere Themen eine größere Rolle. Die größten Unternehmen der Stadt kommen aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie aus dem Tourismus. Die Stickerei-Industrie selbst spielt für die städtische Entwicklung heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Vermutlich wird sie auch in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr diese prägende Kraft haben, wie es noch vor 200 Jahren der Fall war. Dennoch soll sie zu einem festen Bestandteil der Erinnerungskultur in unserer Stadt werden und auch den Stolz der Bürgerschaft über das Erreichte fördern.
In Vorbereitung auf das Festjahr gab es im vergangenen Jahr mehrere Runden einer Steuerungsgruppe, in der viele Ideen für einen würdigen Veranstaltungskalender entwickelt wurden. Was dabei herausgekommen ist, klingt alles sehr spannend. Die Kultur steht dabei natürlich im Vordergrund. Mit der Aufführung des Historienstücks „Hunger“ in der Stadtkirche und dem Musical „Clara“ sollen zwei Glanzlichter der Kultur quasi den zeitlichen Rahmen des Festjahres bilden. Darüber hinaus wird es viele weitere tolle Veranstaltungen und Aktivitäten geben. Hervorzuheben sind dabei noch der historische Markt am 17. und 18. Mai 2025 sowie das Mitsommerfest auf dem Marktplatz am 21. und 22. Juni dieses Jahres. Viele weitere größere und kleinere Veranstaltungen ranken sich um diese großen Highlights. Man möge es mir nachsehen, wenn ich jetzt nicht jede einzelne Aktivität aufzeigen kann.
Es ist mir daher ein Bedürfnis allen, die in irgendeiner Weise zum Gelingen dieses Festjahres beitragen, sei es bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, sei es bei der Betreuung von Arbeitsgruppen oder auch im Hintergrund bei der inhaltlichen Aufarbeitung der Stickerei-Geschichte oder auch bei vielen anderen Aktivitäten, auf das Herzlichste für ihr Engagement danken. Es ist sicher nicht übertrieben, wenn ich von hunderten Personen spreche, die sich für diese Idee mit ihren Talenten einbringen. Mittlerweile haben einige Dinge schon eine richtige Eigendynamik bekommen. Genauso war es ja auch gewollt. Die Kultur und das Traditionsbewusstsein in unserer Stadt sollen wieder einen neuen Schub bekommen. Schon zur 850-Jahrfeier im Jahr 2005 ist es uns in hervorragender Weise gelungen, die Menschen für ihre Stadt zu begeistern und ein großes Fest von Bürgern für Bürger und Gäste zu organisieren. Mit dem heutigen Tag verbinden wir natürlich die Hoffnung, dass eine ähnliche Euphorie für alle Veranstaltungen und Projekte auch in diesem Jahr wieder in der Bürgerschaft entsteht.
Ich wünsche mir, dass die vielen Projekte und Veranstaltungen in diesem Festjahr gut verlaufen und die Erwartungen der Menschen erfüllen. Ich wünsche mir, dass der Stolz der Menschen auf ihre Stadt und ihre Heimat einen neuen Level erreicht und dass wir in punkto Erinnerungskultur bzw. Traditionsbewusstsein eine neue Ära beginnen. Wie oft schauen wir, vielleicht auch ein klein wenig neidisch, auf Regionen in Deutschland oder auch in Europa, wo die Menschen die Traditionen aus ihrer Geschichte mit großer Inbrunst pflegen. Das haben wir vielleicht zu DDR-Zeiten alle ein klein wenig verlernt. Umso mehr wollen wir uns anstrengen, auch diesen Teil des menschlichen Zusammenseins wieder stärker zu fördern und in den Fokus zu rücken. Ich bin überzeugt, dass traditionsbewusste Menschen und Menschen, die in ihrer Heimat verwurzelt sind, immer zuerst versuchen, hier ihre Existenz aufzubauen bzw. zu entwickeln.
Es ist deshalb für uns als ältere Menschen von großer Wichtigkeit, dass wir diese Heimatliebe und das Traditionsbewusstsein in unsere Kinder hineinpflanzen. Und deshalb ist es für mich auch eine besondere Freude, wenn wir mit der Umbenennung der Grundschule Eibenstock in die Grundschule „Clara Angermann“ auf diesem Gebiet einen gewissen Beitrag leisten können. Auch wenn das etwas pathetisch klingt, möchte ich abschließend deshalb noch einmal sagen, dass wir mit der Durchführung dieses Festjahres eine große Chance haben, generationenübergreifend auf diesem Weg ein großes Stück voranzukommen.
Ich möchte mich noch sehr herzlich bei Frau Richter und allen Mitarbeiterinnen des Schatzhauses, bei allen Stickerei-Unternehmern und bei allen, die mitgeholfen haben, die Ausstellung hier im Schatzhaus vorzubereiten, sehr herzlich bedanken. Man sieht es vielleicht nicht gleich auf dem ersten Blick. Aber hinter dieser Ausstellung steckt sehr sehr viel Arbeit. Ich wünsche uns allen, dass sie von möglichst vielen Bürgern und Gästen besucht wird und dass sie viele Antworten auf die Fragen der Stickerei-Tradition in Eibenstock geben kann.
Ein großes Dankeschön gilt dem Team des Schatzhauses und den Mitgestaltern für die Vorbereitung dieses Abends. Im Anschluss an die Feierstunde und dem kleinen Rundgang durch die Ausstellung lade ich Sie herzlich ein, bei einem kleinen Imbiss noch ein wenig zu verweilen. Ich wünsche Ihnen einen interessanten Abend und schließe nun mit einem herzlichen „Glück auf!“.
Glück auf!
Uwe Staab
Bürgermeister