1. September 2022 Grußwort zur Namensgebung „Schatzhaus Erzgebirge“

Grußwort zur Namensgebung „Schatzhaus Erzgebirge“ am 1. September 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

Geschichte bewahren, gehört eigentlich nicht zu den verfassungsgemäßen und gesetzlichen Aufgaben einer Gemeinde. So ist sie eigentlich auch nicht verpflichtet, ein örtliches Museum oder auch ein geschichtliches Archiv zu errichten und zu unterhalten. Lediglich aus den Denkmalschutzregelungen leiten sich Pflichten zur Erhaltung von Bau- und Kulturdenkmälern ab. Was wäre aber, wenn es die vielen Orte und Sammlungen in den Städten und Gemeinden nicht gäbe, die Geschichte und Geschichten von Stadt, Region sowie Land sichtbar bzw. erlebbar präsentieren würden? Kultur und Tradition würden völlig auf der Strecke bleiben. 

Ich freue mich deshalb sehr, Sie heute hier in einem jener Orte begrüßen zu dürfen, die Kultur, Geschichte und Tradition auf eine sehr ansprechende und anschauliche Weise für alle Menschen zugänglich macht. Besonders begrüßen möchte ich ...

Ein städtisches Museum in der Stadt Eibenstock gab es aufgrund verschiedener Initiativen geschichtsinteressierter Bürger seit den 70er-Jahren in Form einer städtischen Heimatschau im Gebäude der ehemaligen Commerzbank am Platz des Friedens. Im Erdgeschoss waren damals all jene Dinge untergebracht, die von Unternehmen sowie aus der Bürgerschaft der Stadt heraus gesammelt und aufbereitet worden sind. Eine einzige Person war damals zuständig, um Geschichtliches zu sammeln, die Ausstellungen aufzubereiten und auch den gesamten Besucherverkehr abzuwickeln. 

Dies änderte sich zunächst auch nicht, als dann 1990 die kommunale Selbstverwaltung auf dem Gebiet der damaligen DDR wieder hergestellt worden ist. Ich habe diesen Prozess von Anfang an mit begleiten dürfen und wir als Stadt hatten uns entschieden, die städtische Heimatschau zunächst auch weiter zu betreiben. Dies war damals insofern kompliziert, da wir ja auch den Lohn des Museumsmitarbeiters mit den anfangs sehr geringen Einnahmen unserer Stadt mit erwirtschaften mussten. Für freiwillige Aufgaben war damals ja eigentlich wirklich kein Geld da. Aber es gelang uns, das Museum nach und nach ein wenig weiterzuentwickeln. Als Matthias Schürer am 1. September 1991 die Leitung des Museums übernahm, wurde gezielt auch an der Weiterentwicklung der Sammlungen und der Aufbereitung der Museumsgegenstände gearbeitet. 

Parallel dazu bemerkten wir, wie nach und nach aus den städtischen Stickereibetrieben die alten Maschinen abgebaut, vernichtet oder ins Ausland verkauft worden sind. So entstand die Idee, jeweils einen Vertreter der Maschinengenerationen abzubauen und für die Stadt als Museumsgegenstand zu sichern. Dies gelang dank der großzügigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Anfang der 90er-Jahre sehr gut. Maschinenteile, Musterbücher und natürlich auch Stickereiobjekte wurden gesammelt, geordnet und eingelagert. Erst Jahre später entstand die Idee, ein neues Museum zu errichten, in dem neben Stadtgeschichte auch die Stickereiindustrieentwicklung in der Stadt gezeigt wird. 

Allen war klar, dass das Gebäude am Platz des Friedens für die Präsentation dieser Anlagen in keinster Weise geeignet war. Deshalb gingen wir auf die Suche nach einem für die Stadt zur Verfügung stehenden Haus, das wir für diesen Zweck umgestalten können. Im Jahr 1995 war mit der Drechsler-Villa, in der wir uns hier befinden, ein Haus gefunden, das ja bis 1990 auch als Produktions- und Verwaltungsgebäude eines Stickereibetriebes der Stadt gedient hat.

Dank des Förderprogramms „GA-Infra“ konnte dann unter der Bezeichnung „Stickereischauwerkstatt Eibenstock“ das Stickereimuseum errichtet werden. Viele AB-Maßnahmen haben dazu beigetragen, die Museumsentwicklung für die Stadt finanziell erträglich zu gestalten. Auch die Sanierung des Gebäudes wäre ohne die 90-prozentige Förderung durch den Freistaat Sachsen nicht möglich gewesen. Nach und nach entwickelte sich das Stickereimuseum sowohl fachlich als auch gestalterisch zu einem wirklich bedeutsamen Museum in unserer Region. 

Regionalgeschichtliche Museen haben bundesweit das Problem, dass sie nicht mit Besuchern überschwemmt werden, obwohl sie eine große historische Bedeutung haben. Leider liegt das Interesse von Gästen, aber auch in der Bürgerschaft mehr auf Spaß und Action. Museen hingegen sind Bestandteile der kulturgeschichtlichen Bildung und deshalb auch für den einen oder anderen langweilig. Heute versucht man, diese Museen von dem reinen Ausstellungsgedanken hin zu bewegten Präsentationen und Interaktion zu entwickeln. Dies hatten wir auch in den 90er-Jahren schon erkannt und haben entgegen den Empfehlungen der Landesstelle für Museumswesen die Stickereimaschinen so wieder aufgestellt, dass sie betrieben werden konnten. Und genau das hat dazu geführt, dass das Zeigen der Stickereitechnologie für die Besucher zu einem hochinteressanten Museumserlebnis geführt hat. 

Hierfür möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dies in diesem Hause auch gelebt haben, sehr herzlich bedanken. Erst durch das Vorführen der Maschinen ist unser Museum wirklich interessant geworden. Auch wenn viele, die anfangs skeptisch unser Haus betraten, es im Nachgang mit Begeisterung wieder verlassen haben, können wir nicht auf der Stelle treten und den Status quo einfrieren. 

Wir haben versucht, mit dem Freiwerden der Wohnungen in der anderen Gebäudehälfte durch Sammlung erzgebirgischer Volkskunst einen weiteren erlebnisorientierten Ausstellungsbereich hinzuzufügen. Mit der „Trumpold‘schen Sammlung“ und der „Krauß‘schen Sammlung“ sowie den bewegten Landschaften haben wir als Ort auch hochwertigstes Ausstellungsgut erworben und die entsprechenden Räumlichkeiten saniert. Somit war allen klar, dass der Name „Stickereimuseum“ längst nicht mehr den vielfältigen Ausstellungsschwerpunkten entspricht.

Man muss auch zugeben, dass der Begriff „Stickereimuseum“ für uns Insider einer Stickereistadt klar bezüglich dessen Bedeutung ist, aber ein Außenstehender konnte sich unter diesem Begriff nicht wirklich viel vorstellen. Waren es vielleicht mehr die Frauen, die Interesse für diesen Begriff gezeigt haben, so schenkten die meisten Männer diesem Begriff wenig Beachtung. Aus diesem Grunde entschieden wir uns, einen neuen spannenderen Namen für das Stickereimuseum zu finden. Zwei Aufrufe auf Internetseite und Amtsblatt haben jedoch keine allzu kreativen Namensvorschläge gebracht. Letztendlich haben wir in einer internen Arbeitsgruppe dann sehr intensiv um einen Namen gerungen. Er sollte spannend sein, er sollte neugierig machen und er sollte auch ein wenig auf das hindeuten, was den Besucher erwartet. 

Mit dem Begriff „Schatzhaus Erzgebirge“ und dem Untertitel „Heimat, Wert und Fantasie“ haben wir alles vereinen können, was den Besucher neugierig machen soll. Wir zeigen wahrhaft Schätze der Industriegeschichte, der Kulturgeschichte und des Volkskunstschaffens aus unserer Region. Vieles davon ist typisch für unser Erzgebirge und deshalb wollen wir es nicht nur auf den Ortsnamen Eibenstock beziehen. Vieles davon, was wir zeigen, ist zugleich auch Teil der Geschichte des gesamten Erzgebirges. Manches ist beispielhaft, manches ist flächendeckend. Schätze sind es aber allemal. 

Die Unterüberschrift „Heimat, Wert und Fantasie“ soll inhaltlich schon den Fingerzeig darauf geben, was den Besucher erwartet. Dazu gehören Heimatgeschichte, Wertvolles, Erhaltenswertes und letztendlich auch die Fantasie, die sowohl die Stickerei - auch die maschinelle -, die Schnitzerei, als auch andere wertvolle Ausstellungsobjekte zum Ausdruck bringen. Das Konzept wird Ihnen nachher noch einmal etwas genauer erläutert.

Auch wenn es anfänglich, nachdem der Stadtrat den entsprechenden Beschluss gefasst hatte, sehr unterschiedliche Meinungen zu diesem Namen gab, wollen wir nun mit Konsequenz auch diesen Namen weiterführen. Über Namen und Geschmack kann man sicher immer streiten. Ich wünsche mir aber, dass wir das berechtige Für und Wider nun beiseiteschieben und die nun getroffene Entscheidung auch akzeptieren. Es bringt nichts, wenn wir immer wieder in das alte Namensmuster zurückfallen oder wenn wir ständig durch Kritik mit dem neu gefundenen Namen hadern. Lassen Sie uns diesen Namen nun mit Konsequenz, Begeisterung und Engagement in das Land hinaustragen und so für Besucher werben.

Deshalb wünsche ich der Museumsleitung dazu das nötige Geschick und unseren gesamten touristischen Akteuren der Region den Mut, diesen Namen auch offen hinauszutragen und unsere Einrichtung zu empfehlen. Der heutige Tag soll auch dazu beitragen, dass alle, die gekommen sind, sich überzeugen können, dass dieses Haus im Verlauf der letzten 25 Jahre tatsächlich zu einem echten „Schatzhaus“ geworden ist. 
 

Mit herzlichem „Glück auf!“

Uwe Staab
Bürgermeister